Konzernbetriebsvereinbarung Suchtverhalten am Arbeitsplatz
BeitragZwischen
der Firma Merck KGaA sowie ihren in Deutschland tätigen Konzerngesellschaften
- nachfolgend: Merck –
und
dem Konzernbetriebsrat des Merck Konzerns
- nachfolgend: KBR -
wird die nachfolgende Betriebsvereinbarung über Suchtverhalten am Arbeitsplatz vereinbart:
Präambel:
Unternehmen und Konzernbetriebsrat wollen mit dieser Vereinbarung einen Rahmen schaffen, der Führungskräften und Mitarbeitern* als Leitlinie dienen soll. Sie soll helfen, Suchtverhalten am Arbeitsplatz zu thematisieren, erkrankten Mitarbeitern Hilfsangebote zu unterbreiten sowie die Arbeitssicherheit zu erhöhen und die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Die Vorschriften der Berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschrift (BGV) gelten unverän dert.
Geltungsbereich
Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter von Merck mit Ausnahme der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG.
* Soweit in dieser Vereinbarung von männlichen Personen gesprochen wird, sind immer auch weibliche Personen gemeint.
Prävention
Aufklärung
Alle Beschäftigten werden durch regelmäßige Informationsveranstaltungen über Suchtmit tel, Suchtmittelmissbrauch und -abhängigkeit aufgeklärt. Der Aufklärung Jugendlicher wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet und ist ein fester Bestandteil der Ausbildungspläne. Wichtige Aspekte der Aufklärung sind:
Darstellung der Beeinträchtigungen von Menschen in ihrer Denk-, Reaktions- und Leistungsfähigkeit durch Suchtmittel Gefährdung von Sicherheit und Wohlbefinden anderer durch Suchtmittel
Beitrag von Suchtmittelmissbrauch zu Abhängigkeitserkrankungen sowie anderen Erkrankungen
Abhängigkeit aufgrund psychosozialer Krankheitserscheinungen (Internet, Glücks spiel)
2.2.
Information
Alle Beschäftigten werden über Beratungsangebote der Sozialberatung sowie die Angebote der Kooperationspartner informiert.
2.3.
Schulungen
Mitarbeiter und Führungskräfte werden durch geeignete und regelmäßige Schulungs maßnahmen (süchtige Verhaltensweisen, auslösende Ursachen / Risikofaktoren und Folgen süchtigen Verhaltens, Präventions- und Interventionsmöglichkeiten) über Suchtmittelgebrauch und Suchterkrankungen, Suchtverhalten und alle damit zusam menhängenden Themen geschult und informiert. Dem Vorbildverhalten von Führungskräften und Verantwortungsträgern kommt eine besondere Bedeutung zu.
2.4.
Maßnahmen
Über geeignete übergeordnete Präventionsmaßnahmen entscheidet die Arbeits gruppe Gesundheitsmanagement (AG BGM). Die Federführung in dieser Frage liegt bei der Sozialberatung. Kleinere Gesellschaften bzw. Standorte können gesonderte Absprachen über geeig nete Maßnahmen treffen. Die oben genannten Stellen unterstützen hierbei. Besteht bei einer Führungskraft der Eindruck, dass ein Mitarbeiter ein Suchtproblem haben könnte, so kann jederzeit ein Fürsorgegespräch geführt werden. Sollte sich der Eindruck eines Suchtproblems verstärken, wird empfohlen, Kontakt zu der Sozial beratung oder dem Betriebsarzt aufzunehmen, um weiterführende Hilfsangebote zu besprechen.
N
Suchtmittelgebrauch im Betrieb
Werden im betrieblichen Alltag Auffälligkeiten festgestellt, die auf eine akute Suchtmit teleinwirkung schließen lassen, führt die Führungskraft - dies kann die direkte oder die disziplinarische Führungskraft sein - zuerst ein persönliches Gespräch mit dem Mitarbeiter. Bestätigt sich der Eindruck einer solchen Suchtmitteleinwirkung, fordert sie den Betroffenen auf, sich zur Untersuchung in die Werkärztliche Abteilung bzw. zu dem zuständigen „Betriebsarzt zu begeben. Kommt der Mitarbeiter dieser Aufforderung nicht nach oder ist die Werkärztliche Abteilung / der Betriebsarzt nicht besetzt, wird er vorsorglich vom Arbeitsplatz entfernt.
Die Führungskraft hat im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht sicherzustellen, dass der Betroffene in geeigneter Weise seine Wohnung oder einen anderen geeigneten Ort außerhalb von Merck erreicht. Anfallende Beförderungskosten sind vom betroffenen Mitarbeiter zu tragen. Anspruch auf Bezahlung der ausgefallenen Arbeitszeit besteht nicht. Human Resources Business Partner (HR BP), Betriebsrat und Sozialberatung werden von der Führungskraft über den Vorgang informiert.
Kann der Betroffene durch ein ärztliches Attest nachweisen, dass sich die Annahme eines Suchtmittelgebrauchs zum Zeitpunkt der Beanstandung nicht bestätigt, werden die Ausfall stunden seinem Gleitzeitkonto gutgeschrieben und hierdurch nachweislich angefallene Beförderungs- und Arztkosten ersetzt. HR BP, Betriebsrat und Sozialberatung werden von der Führungskraft entsprechend informiert.
Geschäftsleitung und Betriebsrat erwarten, dass Bewirtungen und Feiern aus betrieblichen oder persönlichen Anlässen im Unternehmen - auch während der Pausen - grundsätzlich ohne Alkoholkonsum durchgeführt werden. Veranstaltungen, die davon ausdrücklich aus genommen werden sollen, sind in der jeweiligen Gesellschaft zu bestimmen. Für die KGaA sind dies zum Beispiel Jubilarfeier, Benefiz- und Open Air Veranstaltungen sowie private Veranstaltungen im Gästerestaurant.
Betriebliche Hilfsmaßnahmen bei Suchterkrankungen
Die Abhängigkeit von Suchtmitteln ist eine Erkrankung, die den Menschen in allen Lebens bereichen beeinflusst, insbesondere auch am Arbeitsplatz. Frühzeitig und konsequent geführte Gespräche sollen die Krankheitseinsicht und Therapiebereitschaft betroffener Mitarbeiter fördern und damit deren Arbeitsplatz sichern.
Im Unternehmen bieten Sozialberatung und Betriebsärzte fachkundige Beratung an. Die Sucht-Therapie bleibt grundsätzlich außerbetrieblichen Stellen vorbehalten. Suchtkranken Mitarbeitern, die aus Eigeninitiative eine Behandlung anstreben, wird besondere Unterstüt zung seitens des Unternehmens zugesichert.
+ Unter Betriebsarzt ist der von einer Gesellschaft im Geltungsbereich der Vereinbarung beauftragte Arzt zu verstehen.
Besteht bei der Führungskraft der Eindruck, dass eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten eines Mitarbeiters auf eine Suchterkrankung hinweist, ist er gehalten, mit dem Betroffenen ein Gespräch zu führen. Zu diesem Gespräch können Sozialberatung und Betriebsärzte hinzugezogen werden. Der Betroffene kann außerdem eine Person seines Vertrauens hinzuziehen. Bei dem Gespräch werden ihm
•
die Betriebsvereinbarung „Suchtverhalten am Arbeitsplatz" erläutert,
•
Hilfen angeboten und
•
die Konsequenzen seines Handelns aufgezeigt.
die
Dieses Gespräch hat keine personellen Konsequenzen.
Kommt es erneut zu suchtbedingten Verletzungen der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, unterrichtet die Führungskraft den zuständigen HR BP und das zuständige Betriebsratsmit glied über die Suchterkrankung oder -gefährdung des Betroffenen.
In einem gemeinsamen Gespräch mit HR BP, Führungskraft, Betriebsrat, Sozialberatung, Betriebsarzt und betroffenem Mitarbeiter („Große Runde") wird die Suchtproblematik offen angesprochen. Dem Betroffenen werden Hilfsangebote unterbreitet und/oder Auflagen erteilt. Das Gesprächsergebnis wird vom HR BP schriftlich festgehalten und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben.
Nimmt der Betroffene ein Hilfsangebot nicht an und/oder verletzt Auflagen, wird bei sucht bedingten Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten die erste Abmahnung ausgespro chen. Nimmt der Betroffene weiterhin die Hilfsangebote nicht an und es kommt erneut zu suchtbedingten Verletzungen der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, erfolgt (umgehend) die zweite Abmahnung. Dem Betroffenen ist aufzuzeigen, dass er mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechnen hat.
Alle disziplinarischen Maßnahmen werden in der „Großen Runde" begleitet.
Befolgt der Mitarbeiter die Auflagen weiterhin nicht und kommt es erneut zu suchtbedingten Verletzungen der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, so wird die Kündigung unter Beach tung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats eingeleitet.
Wiedereinstellungszusage
Mit der Kündigung wird dem Mitarbeiter unter folgenden Voraussetzungen die Wiederein stellung zugesagt:
Der Mitarbeiter hat innerhalb eines Jahres nach seinem Ausscheiden (Termin der Beendigung des Arbeitsverhältnisses) nachzuweisen, dass er o nach seinem Ausscheiden eine geeignete stationäre oder ambulante Entwöh
nungsbehandlung erfolgreich abgeschlossen hat. O zum Zeitpunkt der Beendigung der Entwöhnungsbehandlung als abstinent anzu
sehen ist.
Die Nachweise (Bescheinigung des Leistungserbringers) müssen dem Unternehmen innerhalb der Jahresfrist zugegangen sein.
Der Wiedereintritt muss spätestens zwei Monate nach Ablauf der Jahresfrist erfolgen.
Die Wiedereinstellung muss vom Mitarbeiter unter Angabe des gewünschten Eintritts termins sowie unter Beachtung der festgelegten Frist spätestens einen Monat vor Ablauf der Jahresfrist und spätestens zwei Monate vor dem gewünschten Wiederein trittstermin schriftlich geltend gemacht werden. Maßgeblich für die Rechtzeitigkeit der Geltendmachung ist der Zugang der Erklärung bei dem Unternehmen. Eine Woche vor Aufnahme einer Tätigkeit im Unternehmen hat der Betroffene ein aktuelles ärztliches Attest, dass er zu diesem Zeitpunkt als abstinent anzusehen ist, vorzulegen.
Am ersten Tag der Arbeitsaufnahme wird der Mitarbeiter in der Werkärztlichen Abtei lung bzw. bei einem Betriebsarzt vorstellig, um die Arbeitsfähigkeit zu bestätigen.
Nachsorge
Alle Beteiligten (betriebliche Führungskraft, Sozialberatung, Betriebsarzt, HR BP und Betriebsrat) verpflichten sich, die Wiedereingliederung des Betroffenen nach erfolgter Behandlung in geeigneter Form zu unterstützen.
Rückfall
Bei Rückfällen nach einer erfolgreichen Entwöhnungsbehandlung oder sonstigen Hilfsmaß nahmen wird grundsätzlich eine sogenannte große Runde gemäß 4.3 dieser Betriebsver einbarung einberufen. In dieser großen Runde legen die Beteiligten fest, ob mit dieser oder mit einem späteren Prozessschritt fortgefahren wird.
Tritt nach Wiedereinstellung des Mitarbeiters ein Rückfall auf, findet ein verkürzter Prozess Anwendung: bei festgestellten Auffälligkeiten (vermutetem Suchtverhalten) wird direkt die große Runde einberufen, unmittelbar Hilfsangebote unterbreitet und bedarfsgemäß Maß nahmen vereinbart. Kommt es wiederholt zur Verletzung der Auflagen kann bereits bei der zweiten Verfehlung eine Kündigung ausgesprochen werden.
Bei Rückfällen während der Probezeit nach der Wiedereinstellung in das Unternehmen erfolgt erneut eine Kündigung.
Unabhängig vom zeitlichen Abstand zu der ersten Kündigung wird in Verbindung mit einer zweiten ausgesprochenen Kündigung keine Wiedereinstellungszusage im Rahmen der Betriebsvereinbarung gegeben.
Schlussbestimmungen
Diese Konzernbetriebsvereinbarung tritt mit Wirkung zum 01. Januar 2018 in Kraft und kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres ohne Nachwirkung gekündigt werden. Sie löst alle bestehenden Betriebsvereinbarungen zu Suchtverhalten und Suchtgefahren am Arbeitsplatz ab.
Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden, so wird die Wirksamkeit dieser Vereinbarung im Übrigen nicht berührt. Eine ungültige Bestimmung wird durch eine neue, rechtsgültige Regelung ersetzt, die dem Willen der Parteien zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung am ehesten entsprochen hätte. Entsprechendes gilt bei lückenhaften oder fehlenden Regelungen.
Sofern sich zur Umsetzung und Unterstützung dieser Betriebsvereinbarung standortspezi fische Maßnahmen erforderlich erweisen, können diese mit den örtlichen Betriebsräten vereinbart werden.
Darmstadt, den 13. Dezember 2017
Merck KGaA
ppa.
i. V.
Konzernbetriebsrat
gez. Philip Heßen
gez. Thomas Pein
gez. Crocifissa Attardo
Dieser Artikel wurde von Merckgroup erstellt und zuletzt am aktualisiert.