Gespräch bei vermuteter Sucht vorbereiten

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Die richtige Ansprache und Vorbereitung ist besonders wichtig, wenn es darum geht, (potenziell) suchtgefährdeten oder suchterkrankten Mitarbeitenden Hilfe anzubieten. Es führt jedoch kein Weg daran vorbei, die betroffene Person mit ihrem auffälligen Verhalten zu konfrontieren und die Erwartung zu äußern, dass sich etwas ändern muss. Je früher das Thema angesprochen wird, desto größer sind die Erfolgsaussichten hierbei. Dabei ist wichtig, dass du als Führungskraft ein gutes Gleichgewicht zwischen dem Angebot von Hilfe und der Konfrontation mit möglichen Konsequenzen wahrst. In dieser Lektion erhältst du hierfür alle wesentlichen Informationen und Tipps, die dir dabei helfen, gut vorbereitet in ein solches Gespräch zu gehen.
Hinweis: Behalte im Laufe des Gesprächs unbedingt im Hinterkopf, dass nicht alle Mitarbeitenden, die Anzeichen einer psychischen Belastung aufweisen, unter einer psychischen Erkrankung bzw. Abhängigkeit leiden. Behalte also stets eine neutrale Haltung bei, denn deine Beobachtungen können auch eine vollkommen andere Ursache haben. Es steht dir zudem nicht zu, eine Diagnose zu (unter-)stellen oder medizinische Ratschläge zu geben. Dafür sind alleinig Fachpersonen in einem entsprechenden Setting zuständig. Mache dir zudem bewusst, dass du die betroffene Person nur dann unterstützen kannst, wenn sie dir Vertrauen schenkt. Vorwürfe, Unterstellungen und Angstmacherei können die Person bedrängen und sind daher für einen lösungsorientierten Gesprächsverlauf hinderlich.
Eine Person auf eine potenzielle Alkoholabhängigkeit anzusprechen, ist für beide Seiten eine heikle Situation. Darum ist es essenziell, sich inhaltlich gut auf das Gespräch vorzubereiten und für geeignete Rahmenbedingungen zu sorgen. Plane euren Termin daher so, dass ihr ausreichend Zeit habt und ungestört seid. Beispielsweise kannst du einen abgelegenen Besprechungsraum organisieren und dein Telefon ausschalten bzw. Anrufe zeitweilig umleiten. Das erleichtert es deinem Gegenüber, sich dir zu öffnen, sollte tatsächlich etwas hinter deiner Sorge stecken.

Konkrete Ziele & Verhaltensänderungen definieren

Überlege dir im Vorhinein, was das konkrete Ziel des Gesprächs ist. Zum Beispiel kann dein Ziel sein, erste Unterstützung anzubieten oder einen Veränderungswunsch auszusprechen. Für das Erstgespräch sind drei grundsätzliche Ziele wichtig:
  1. Die Person hat verstanden, dass du Auffälligkeiten wahrnimmst und nicht wegschaust.
  2. Die Person hat verstanden, dass du die Auffälligkeiten nicht länger duldest und eine Rückkehr zur gewohnt guten Zusammenarbeit anstrebst.
  3. Die Person weiß, wo sie Unterstützung findet, wenn sie die Auffälligkeiten nicht ohne Hilfe abstellen kann (z.B. betriebliche Ansprechperson für Suchtprävention, hauptamtliche Sozialberatung, Betriebsrat, Online-Angebote).
Zu Beginn eures Termins kannst du der Person beispielsweise sagen, dass du das Gespräch suchst, weil du dir Sorgen um sie machst und nach Lösungsmöglichkeiten suchst, um sie zu unterstützen. Weise auch darauf hin, dass es als Führungskraft deine Aufgabe ist, darauf zu achten, dass sich alle Mitarbeitenden an die Unternehmensrichtlinien und arbeitsschutzrechtlichen Pflichten halten und du bei Verstoß dazu verpflichtet bist, entsprechende Konsequenzen zu ziehen.
Mache daher auch deutlich, welche konkreten Verhaltensänderungen du von deinem Gegenüber in Zukunft erwartest. Je nachdem, welches Fehlverhalten oder welche unerwünschten Handlungsweisen zuvor von der Person ausgegangen sind, können das z.B. die folgenden sein:
  • pünktlicher Arbeitsbeginn und Krank- bzw. Abwesenheitsmeldungen nach Unternehmensrichtlinien
  • kein Konsum von (illegalen) Substanzen während der Arbeitszeit und am Arbeitsplatz
  • verantwortungsbewusste Ausführung der eigenen Aufgaben, Projekte und Positionen
  • verlässliche Erreichbarkeit während der Arbeitszeit nach Unternehmensrichtlinien
  • (…)
Tipp: Betone, dass ihr beide das gleiche Ziel verfolgt. Vorwürfe und Unterstellungen wie z.B. „Doch, du hast ein Alkoholproblem!" sind nicht hilfreich, um gemeinsam ans Ziel zu kommen. Reagiere alternativ mit einer Aussage wie „Was die Ursache für die Auffälligkeiten und Veränderungen sind, kannst du am besten beurteilen. Ich möchte mit dir Lösungen finden, wie du die besprochenen Verhaltensweisen ändern kannst.“

Beobachtete Auffälligkeiten sammeln

Für die erfolgreiche Umsetzung des Gesprächs ist es wichtig, dass du konkrete Begründungen und Beispiele für deine Sorge nennen kannst, um diese zu stützen und für dein Gegenüber verständlich zu machen. Trage daher die von dir beobachteten Auffälligkeiten aus allen Bereichen (Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsverhalten sowie äußeres Erscheinungsbild) zusammen. Beziehe dich hierbei ausschließlich auf deine Beobachtungen und nicht auf Aussagen von Dritten. Konkrete Beobachtungen können z.B. die folgenden sein:
  • „In den letzten 3 Wochen ist mir aufgefallen, dass du in unseren gemeinsamen Meetings immer mindestens 5 Minuten zu spät gekommen bist. Bei drei dieser Meetings haben wir dann schon ohne dich angefangen, weil keine rechtzeitige Rückmeldung von dir vorgelegen hat. Diese Woche Mittwoch hast du bei unserem Treffen gänzlich unentschuldigt gefehlt.”
  • „Bei den letzten 2 Firmenfeiern, bei denen wir zusammen zugegen waren, habe ich dir bereits vor Ende des Abendessens ein Taxi gerufen, weil du so berauscht warst. Auch bei kleineren Feierabendrunden in den letzten Wochen ist mir aufgefallen, dass du durchgehend am längsten bleibst und berauscht bist, auch wenn deine Schicht am nächsten Tag früh beginnt.”
  • „Diesen Monat hatten wir 4 Auswärtstermine zusammen. Dabei habe ich bemerkt, dass du bei 3 Terminen nicht wie besprochen vorbereitet warst. Bei den letzten beiden Terminen hast du auf mich unruhig und etwas durch den Wind gewirkt.”
  • „Mir ist in den letzten 2 Monaten aufgefallen, dass überwiegend dann Fehler und Unordnung in der Lagerung vorkommen, wenn du dieser Position zugeteilt bist.”

Informationen über Hilfsangebote einholen

Um die potenziell betroffene Person umfassend im Rahmen deiner Verantwortung zu unterstützen, ist es hilfreich, wenn du dich im Vorfeld zu den verfügbaren inner- und außerbetrieblichen Beratungsangeboten sowie Online-Angeboten informierst. Suche bestenfalls konkrete, passende Angebote, Kontakte und Ansprechpersonen heraus, um sie im Gespräch direkt vorliegen zu haben und bei Bedarf mitgeben zu können. Das macht es deinem Gegenüber leichter, sich durch diese Angebote Unterstützung zu holen.
Hinweis: Mache dir für deine eigene Erwartungshaltung an das Gespräch klar, dass es nicht deine Aufgabe ist, eine Diagnose zu stellen oder die Probleme der betroffenen Person zu lösen. Vielmehr geht es darum, der betroffenen Person ein offenes Ohr zu schenken, Angebote bereitzustellen und die Person dazu zu befähigen, sich professionelle Unterstützung zu suchen. Dein Gegenüber kann daher auch selbst entscheiden, ob er bzw. sie die Angebote nutzen möchte oder nicht.

Auf verschiedene Reaktionen vorbereiten

Mache dir bereits vor dem Gespräch bewusst, dass das Ansprechen von Auffälligkeiten ein unangenehmes Gefühl bei deinem Gegenüber auslösen und damit zu unterschiedlichen sowie unvorhersehbaren Reaktionen führen kann. Die folgenden Beispiele zeigen dir einige mögliche Reaktionen, damit du dich entsprechend auf sie vorbereiten kannst:
  • Einsichtig: „Ich bin dankbar, dass du das ansprichst. Ehrlich gesagt ist der Konsum nur eine Folge meiner privaten Herausforderungen zu Hause (…)."
  • Ermutigt: „Ich möchte schon seit einer Weile etwas dagegen tun, aber alleine habe ich es bisher einfach nicht geschafft."
  • Verharmlosend: „So schlimm ist es doch gar nicht", „Du übertreibst mal wieder."
  • Abstreitend: „Das stimmt einfach nicht", „Du lügst."
  • Selbstbemitleidend: „Ich weiß einfach nicht, wie ich mir sonst helfen soll – ohne geht es einfach nicht mehr.”
  • Drohend: „Über dich könnte ich den Kolleg:innen auch so einiges erzählen", „Wenn du wüsstest, was ich alles so über dich weiß", „Wenn du es den anderen erzählst, verliere ich meinen Job und kann direkt einpacken. Dafür willst du doch auch nicht verantwortlich sein, oder?"
Lege dir am besten bereits vor dem Gespräch ein paar passende Sätze und Formulierungen zurecht, damit du im Gespräch auf sie zurückgreifen kannst und dich sicherer fühlst. In der nächsten Lektion erfährst du, wie du das Gespräch konstruktiv strukturierst, um Platz für alle wichtigen Aspekte zu finden.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.
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